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Title
Armut und Bischofsherrschaft. Bischöfliche Fürsorge in der Merowingerzeit


Author(s)
Zimmermann, Philip
Series
Vorträge und Forschungen. Sonderbände (63)
Published
Ostfildern 2022: Jan Thorbecke Verlag
Extent
266 S.
Price
€ 38,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Timo Bollen, Landeshauptarchiv Koblenz

Das Wirken und Handeln des Episkopats waren häufiger Gegenstand in der jüngeren Forschung.1 Ebenso sind die Studien im deutschsprachigen Raum zu den Merowingern in letzter Zeit wieder des Öfteren nachzuweisen, nachdem es gerade zu Beginn der 2000er-Jahre eine gewisse „Durststrecke“ gab. Besonders ist hier natürlich die Monographie von Sebastian Scholz sowie sein Quellenbuch, welches dieser zusammen mit Reinhold Kaiser herausgab, zu nennen.2 Bei Scholz entstand die hier zu besprechende Dissertationsschrift, mit der Philip Zimmermann 2017 an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich promoviert wurde.

Zweifellos ist es immer ein Wagnis über die Merowingerzeit eine Qualifikationsschrift zu verfassen, denn die Quellenlage ist größtenteils sehr lückenhaft. Die Gefahr besteht somit immer, einzelne Quellenaussagen überzubewerten, Leerstellen mit der eigenen Fantasie zu schließen und – mangels Alternativen – gewonnene Aspekte zu verallgemeinern. In diese Fallstricke ist der Verfasser aus Sicht des Rezensenten nicht hineingeraten. Im Gegenteil: Zimmermann scheint sich zu jeder Zeit der Problematik bewusst gewesen zu sein, das wird schon in der quellenkundlichen Einordnung deutlich (S. 20–23). Es geht ihm weniger um den „Realitätsgehalt“ (S. 12), sondern vielmehr um die Darstellung in den Quellen und welche Bedeutung der Armenfürsorge bei merowingischen Bischöfen sowohl in der Historiographie als auch in der Hagiographie, aber ebenso in den Rechtsquellen beigemessen wird (S. 12–23). Ebenfalls wird die Begrifflichkeit der bischöflichen caritas anhand der Quellen überprüft und wer dort „tatsächlich als arm bezeichnet wird“ (S. 18). Ein weiterer Aspekt sind die Grundlagen der Armenfürsorge, auf die sich die Bischöfe bezogen.

In einem ersten größeren Kapitel (S. 25–92) widmet sich der Autor einer differenzierten Betrachtung der Begriffe caritas und pauperes. Anhand vieler Beispiele aus der Historiographie und den Rechtsquellen kann der Verfasser aufzeigen, dass die caritas kein lediglich auf die Bischöfe und Kleriker bezogener Begriff ist, sondern es können genauso der König oder weitere Laien damit einbezogen werden. Bei Gregor von Tours und Venantius Fortunatus wird im weiteren Verlauf des Buches der Armutsbegriff untersucht. Nicht ganz klar ist, warum dies nur bei diesen beiden Geschichtsschreibern erfolgte. Während bei Gregor nur sehr eingeschränkt überhaupt das Phänomen der Armut nachgewiesen werden konnten, wobei hier egens und pauper teilweise synonym und teilweise in deutlicherer Abgrenzung gegenübergestellt werden, sei bei Venantius ein deutlich reichhaltigeres Vokabular zu diesem Themenbereich nachzuvollziehen. Parallelen seien aber bei der Almosengabe feststellbar, der Geber stehe immer klar im Vordergrund im Gegensatz zum Empfänger.

Im zentralen Kapitel der Untersuchung (S. 93–197) werden die Grundlagen der Armenfürsorge herausgearbeitet. Hierbei bezieht sich Zimmermann sowohl auf die Bibel, auf patristische Quellen wie Leo den Großen, Johannes Chrysostomos oder Ambrosius von Mailand, das weltliche Recht und das Kirchenrecht. Hier können nur kurz einige auffällige Resultate stichpunktartig genannt werden: Im Neuen Testament stehe die Armut stärker im Fokus als im Alten Testament, eine unmittelbare „Abhängigkeit der merowingerzeitlichen Textdokumente von patristischen Vorlagen“ (S. 121) lasse sich nicht feststellen. In den weltlichen Rechtsquellen sei die Armenfürsorge kaum thematisiert, im Gegensatz zum Kirchenrecht. Gerade in den Protokollen der Synoden lasse sich eine deutliche Behandlung der Armenfürsorge herausarbeiten (S. 138–168), wie Zimmermann ausführlich und nachvollziehbar darstellt.

Deutlich knapper sind die beiden letzten Kapitel: Zunächst analysiert der Autor die Organisation der bischöflichen Armenfürsorge (S. 199–217). Es wird deutlich, dass gerade Bedürftige und Menschen in Notsituationen (womit Menschen gemeint sind, die sich grundsätzlich selbst versorgen können) als hauptsächliche Personen auszumachen seien, die in den Fürsorgebereich der Bischöfe fallen. In den meisten Fällen würden Almosen gegeben werden, in Ausnahmesituationen auch größere Nahrungsversorgung. Diese mildtätigen Gaben wären vor allem durch das Kirchenvermögen ausbezahlt worden.

Dass die Hilfeleistungen nicht immer uneigennützig waren, verdeutlicht Zimmermann im letzten Abschnitt (S. 219–233). Besonders die Instrumentalisierung von Armen werde von manchen Bischöfen für eine lobende Anerkennung ihrer Taten genutzt. Gleichwohl muss hier aber festgehalten werden, dass solche Beispiele nur sehr vereinzelt vorkommen, denn vor allem bei Gregor von Tours ist eine genauere Schilderung der Armenfürsorge lediglich bruchstückhaft zu erkennen.

Ein kurzes Fazit (in deutscher und englischer Sprache) (S. 235–243) sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Orts- und Personenregister beschließen die Studie.

Obgleich sicherlich nicht völlig umwälzende Ergebnisse hier festgestellt werden können, so sind doch zahlreiche kleine Beobachtungen zu nennen, die den Blick für die Armenfürsorge der Merowingerzeit schärfen. Erfreulich ist ebenfalls, dass der Autor nicht zur Weitschweifigkeit neigt, sondern präzise und sprachlich ansprechend seine Ergebnisse darlegt. Anstatt eines unnötig umständlichen Theoriegebildes steht die Quellenarbeit im Vordergrund, die wichtige Einblicke in das Bischofsbild des frühen Mittelalters liefert. Das ist bei der diffizilen Quellenlage nicht wenig.

Anmerkungen:
1 Vor allem sei hier zu erwähnen Steffen Patzold, Episcopus. Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts (Mittelalter-Forschungen 25), Ostfildern 2008.
2 Sebastian Scholz, Die Merowinger (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 748), Stuttgart 2015; Reinhold Kaiser/Sebastian Scholz, Quellen zur Geschichte der Franken und der Merowinger. Vom 3. Jahrhundert bis 751, Stuttgart 2012.

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